In den letzten Jahren liest man immer wieder über die Wichtigkeit der Darmflora, in seiner Zusammensetzung von kleinsten Organismen auch das Mikrobiom des Darms genannt. Dieses Mikrobiom besiedelt im wesentlichen alle unsere Schleimhäute und hat Einfluss auf zahlreiche Prozesse im Körper, wie die Verdauung, Hungergefühl, Gewicht, aber auch das Immunsystem, zahlreiche Krankheiten (u.a Diabetes, Reizdarmsyndrom oder Depressionen)[1], das Gedächtnis und die Fruchtbarkeit. Es sollte betont werden, dass jeder Mensch über ein individuelles und ganz spezifisches Mikrobiom verfügt, welches durch äußere Einflüsse wie Stress, Medikamente, Strahlenexposition, Ernährungsgewohnheiten etc. beeinflusst werden kann [1.1].
Wenig verbreitet ist die Erkenntnis, dass auch die Gebärmutter ein solches Mikrobiom aufweist, welches die Fruchtbarkeit der Frau beeinflusst. Lange Zeit galt der Uterus als steril. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre zeigen jedoch, dass es eine Aneinanderreihung verschiedener ineinander übergehender Mikrobiome gibt, die im Genitaltrakt von der Scheide über die Gebärmutter bis hin zu den Eileiter gehen.[1.2]
Die Mikrobiome unterscheiden sich dabei in ihrer Zusammensetzung. Während in der Vagina verschiedene Laktobazillen vorherrschen, nehmen diese Richtung Eileiter immer mehr ab. Die stabilste und wirkungsvollste Scheidenflora wird von Laktobakterien gebildet, die Wasserstoffperoxid (H2O2) produzieren. Das Risiko einer Frau, eine bakterielle Vaginose zu entwickeln, ist um 50% geringer, wenn die Vagina mit H2O2 produzierenden Laktobakterien besiedelt ist (im Vergleich zu einer Besiedlung mit Laktobakterien, die kein H2O2 bilden)[2,3]. Das normale vaginale Mikrobiom ist bei schwangeren und nicht schwangeren Frauen unterschiedlich. Romero et al. fanden heraus, dass die Gemeinschaftsstruktur der vaginalen Mikrobiota über mehrere Zeitpunkte der Schwangerschaft hinweg konsistent bleibt (und Arten wie L. vaginalis, L. crispatus, L. gasseri und L. jensenii umfasst), während die vaginalen Mikrobiota nicht schwangerer Frauen über verschiedene Zeitpunkte hinweg variabler sind, mit Unterschieden bei den dominierenden Lactobacillus-Arten [3.1]
Dysbiose und Krankheiten
Gerät das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, spricht man von einer Dysbiose. In der Vagina dominieren bei 90% der gesunden Frauen im gebärfähigen Alter Laktobazillen. Kommen vermehrt andere hinzu, sogenannte Anaerobier, kann es zu verschiedenen Balancestörungen kommen. Die Bakterielle Vaginose (BV) gehört dazu. Es tritt dann typischerweise ein grau-weißer Ausfluss und ein typisch fischiger Geruch auf. Die BV kann zu vielen weiteren gynäkologischen Erkrankungen führen und kann ein erhöhts Risiko für Früh-und Spätaborte bedeuten. Zudem erhöht sie das Risiko für eine Entzündung der Gebärmutter und sexuell Übertragbare Krankheiten (z.B. HIV , Chlamydien und HPV), da Erreger durch die entzündete Schleimhaut leichter in den Körper eintreten und die natürliche Abwehr geschwächt ist.
Fruchtbarkeit
Auch bei einer erfolgreichen Befruchtung spielt das genitale Mikrobiom eine Rolle. Besonders die schon erwähnten Laktobazillen sind wichtig und begünstigen eine komplikationslose Schwangerschaft und zeitgerechte Geburt.
Es scheint, dass Frauen die ein Kinderwunschzentrum aufsuchen häufiger eine bakterielle Fehlbesiedelung aufweisen als Frauen, die auf natürlichem Weg schwanger werden. Da sich der Embryo in der Gebärmutterschleimhaut einnisten muss, kann eine Störung des Mikrobioms hier zu einem deutlichen Rückgang von Schwangerschaften und Geburten führen. Auch hier spielt die Dominanz der Laktobazillen eine wichtige Rolle. Da eine Dysbiose ansonsten völlig symptomlos sein kann, wird häufig nicht daraufhin untersucht und sie somit übersehen.
Diagnosestellung
Am schwierigsten kann es sein eine Dysbiose der Gebärmutterschleimhaut überhaupt festzustellen, da sie wie schon erwähnt bis auf den unerfüllten Kinderwunsch symptomlos sein kann. Auch erfassen bisherige Laborverfahren häufig nur selektiv pathogene Keime, statt das gesamte Mikrobiom zu erfassen. Dies ist bisher nur mit modernen Sequenzierverfahren möglich, die alle Bakterien prozentual erfassen, so dass dann abgeglichen werden kann, ob eine normale oder ungünstige Besiedelung vorliegt.
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Behandlung
Zunächst werden die unerwünschten Keime (dazu gehören Gardnerella, Atopobium, Chlamydien) mit einem passenden Antibiotikum eliminiert. Um danach den Aufbau eines gesundes Mikrobioms zu fördern, kommen geeignete Probiotika zum Einsatz. Wichtig ist hierbei die Auswahl, denn nicht jedes Probiotikum hat die richtigen Laktobazillen. Hervorzuheben sind folgende Stämme: L. Rhamnosus GR-1, L. acidophilus (NAS) [4],Lactobacillus crispatus[5] Lactobacillus jensenii [3.1] z.T enthalten in OMNi-BiOTiC® FLORA plus+ oder Femibion® Flor Intim
Ein Problem ist die hohe Rezidivrate der BV. Dies liegt mit daran, dass es sich nicht um eine isolierte Krankheit, sondern ein Balanceproblem des Mikrobioms liegt. Wichtig ist, dass auch der Partner mit untersucht und behandelt wird. Ebenso kann eine Ernährungsumstellung helfen und die hygienischen Gewohnheiten optimiert werden z.B sollte auf das Waschen des Intimbereichs mit normalen Seifen zugunsten der Vaginalflora verzichtet werden und stattdessen klares Wasser oder spezielle Intimseifen verwenden.
Fazit: Sollten Sie unter unerfülltem Kinderwunsch leiden, sprechen Sie ihren behandelnden Arzt auf die Untersuchung des Mikrobioms an oder suchen Sie einen Arzt, der sich damit auskennt. Anders als in der Vagina stellt die Probenentnahme von Uterus, Tuben und Ovar eine größere Herausforderung dar und ist deutlich invasiver. Da das Sampling aus dem Endometrium in den meisten Fällen durch die Vagina erfolgt, besteht die Gefahr einer Kontamination mit vaginalen Mikrobiota. Durch die höhere Invasivität werden Proben meist nur bei Frauen entnommen, welche eine Operation oder eine Fertilitätsbehandlung erhalten [6]
Im Anschluss oder begleitend kann die Osteopathie hilfreich sein, um eventuelle durch entzündliche Prozesse entstandene Restriktionen zu lösen und eine optimale Durchblutung und Beweglichkeit der Organe zu fördern.
Quellen:
1 Moreno I, Codoñer FM, Vilella F, Valbuena D, Martinez-Blanch JF, et al. Evidence that the endometrial microbiota has an effect on implantation success or failure. Am J Obstet Gynecol 2016; 215: 684–703.
1.1 Amabebe E, Anumba DOC. The vaginal microenvironment: The physiologic pole of lactobacilli. Front Med (Lausanne) 2018; 5: 181.
1.2 dus-ana.de Frauengesundheit, Kinderwunsch und das humane Mikrobiom
2. Antonio MA, Hawes SE, Hillier SL. The identification of vaginal Lactobacillus species and the demographic and microbiologic characteristics of women colonized by these species. J. Infect Dis. 1999;180(6):1950-6.
3 Hawes SE, Hillier SL, Benedetti J et al. Hydrogen peroxide-producing lactobacilli and acquisition of vaginal infections. J Infect Dis 1996;174:1058-1063.
3.1 Romero R, Hassan SS, Gajer P, Tarca AL, Fadrosh DW, et al. The composition and stability of the vaginal microbiota of normal pregnant women is different from that of non-pregnant women. Microbiome 2014; 2: 4.
4 https://orthoknowledge.eu/forschung/vaginale-probiotika-sinnvoll/
5 https://www.spektrum.de/news/warum-stereochemie-in-der-vagina-wichtig-ist/1667484
6 Chen C, Song X, Wei W, Zhong H, Dai J, et al. The microbiota continuum along the female reproductive tract and its relation to uterine-related diseases. Nat Commun 2017; 8: 875.